Christoph-Graupner-Gesellschaft

 

 

Graupners Bewerbung um das Leipziger Thomaskantorat (I): Zur Abfolge seiner Probestücke und ihrer falschen Anordnung im Graupner-Werke-Verzeichnis (GWV)

Guido Erdmann, Königsbrunn, April 2023

Als Christoph Graupner am 17. Januar 1723 seine beiden Probemusiken erklingen ließ, war er der vorletzte Bewerber um das Leipziger Thomaskantorat. Graupner war nach der Absage Georg Philipp Telemanns, des berühmtesten Komponisten jener Zeit, zum Wunschkandidaten des Leipziger Rates geworden. Als überaus fähiger Komponist und geschickter Organisator hatte Graupner es als Hofkapellmeister in Darmstadt geschafft, deutschlandweit herausragende Sänger und Instrumentalvirtuosen an die kleine Residenzstadt zu binden und dort ein weithin beachtetes Ensemble zu formen.1 Biografie, Leumund und Person Graupners machten auf den Leipziger Rat einen außerordentlich soliden Eindruck, hatte er doch verschiedene Empfehlungsschreiben (u. a. seines Mentors, des Dresdener Hofkapellmeisters Johann David Heinichen) vorzuweisen und kannte im Grunde die Leipziger Verhältnisse – wenn auch mit zeitlichem Abstand von etwa 20 Jahren. Bevor nämlich Hamburg und Darmstadt auf der musikalischen Karriereleiter gefolgt waren, hatte Graupner selber die Thomasschule besucht, als Chorpräfekt das Kantoreien-System durchlaufen2, war Meisterschüler der verstorbenen Thomaskantoren Johann Schelle und Johann Kuhnau3 gewesen und hatte schließlich in Leipzig Jura studiert4. Graupner war lokal sozialisiert, hervorragend ausgebildet, er war offensichtlich engagiert und im Umgang konziliant, dazu noch immer vernetzt in der Messestadt und bestens vertraut mit ihren kirchenmusikalischen Möglichkeiten und Konventionen. Alles deutete zweifellos auf eine Führungspersönlichkeit, die einer Doppelanforderung als Kantor der Leipziger Hauptkirchenmusik einerseits sowie andererseits als maßgeblicher Pädagoge an der angegliederten Erziehungsanstalt gewachsen gewesen wäre. Dies war auf Seiten der meisten Ratsmitglieder bereits klar, bevor zwei Tage später überhaupt die ersten Töne von Graupners imposanten Probestücken in der Thomaskirche erklangen.5 Der Bachforscher Hans-Joachim Schulze resümiert um 1978: „Dass eine Berufung des Darmstädter Meisters nach Leipzig der städtischen und kirchlichen Musikpflege nennenswerte Impulse gegeben hätte, ist so gut wie sicher; kann doch Graupner auch aus heutiger Sicht einer der bedeutendsten Komponisten der Bach-Zeit genannt werden.“6

Am Ende sollte es sich als klug erweisen, dass sich die Ratsmitglieder trotz Graupners überzeugendem Auftritt entschieden, ferner den Köthener Hofkapellmeister Johann Sebastian Bach zur Kantoratsprobe nach Leipzig einzuladen. Zwar favorisierte man Graupner als zukünftigen Director Musices, so dass lediglich ein Personenkreis von kirchenmusikalisch Begeisterten Bachs Probemusiken anerkennend noch registrierte. Doch zum großen Glück für Darmstadt sollte Graupner letztlich von seinem hessischen Landesherrn nicht freigegeben werden, wodurch Bach als letzter Bewerber in Leipzig schließlich zum Zuge kam und – entgegen eigener Bedenken7 – Ende Mai 1723 das Thomaskantorat übernahm.

  • 5. Juni 1722 Tod des bisherigen Leipziger Thomaskantors Johann Kuhnau
  • 9. August 1722 Probeaufführung (Nikolaikirche) von Georg Philipp Telemann,
    (10. n. Trinitatis) wohl mit zwei Kompositionen8
  • 29. November 1722 Probeaufführungen (Thomaskirche) von Andreas Christoph Duve
    (1. Advent) und Georg Friedrich Kauffmann mit je einer Komposition
  • 17. Januar 1723 Probeaufführung (Thomaskirche) von Christoph Graupner
    (2. n. Epiphanias) Lobet den Herrn alle Heiden, Aus der Tiefen
  • 2. Februar 1723 Probeaufführung (Nikolaikirche) von Georg Balthasar Schott
    (Mariä Reinigung) Zwei Kompositionen? Wiederholung in der Vesper der Neukirche?
  • 7. Februar 1723 Probeaufführung (Thomaskirche) von Johann Sebastian Bach
    (Estomihi) Jesus nahm zu sich die Zwölfe, Du wahrer Gott und Davids Sohn

Nur für Graupner und Bach lassen sich heute die Bewerbungskompositionen mit völliger Sicherheit feststellen.9 Beide führten ihre Probemusiken im Abstand von nur drei Wochen auf und am selben Ort, nämlich in der Thomaskirche auf, weshalb von gleichen oder zumindest sehr ähnlichen Aufführungsbedingungen ausgegangen werden darf, nicht zuletzt um eine faire Vergleichbarkeit der Bewerber zu gewährleisten. Die beiden Probemusiken Graupners sind für die Leipziger Aufführungsgegebenheiten von besonders hoher Aussagekraft, weil neben den eigenschriftlichen Partituren auch sämtliches Aufführungsmaterial vom Januar 1723 vollständig erhalten geblieben ist. Es lassen sich keinerlei kompositorische Nachbearbeitungen oder Veränderungen am Material durch den Komponisten feststellen. Graupners Werke wurden unzweifelhaft aus den heute noch existenten Notenmaterialien aufgeführt.10 Bachs Probemusiken sind zwar in Partitur überliefert, jedoch passte er seine beiden Werke im Rahmen späterer Wiederaufführungen an, so dass sich im vorhandenen Notenmaterial verschiedene Werkstadien niedergeschlagen haben und entsprechend durchmischen. Außerdem fehlen teilweise Stimmenmaterialien oder, sofern vorhanden, können sich auch darin spätere Werkstadien bzw. Weiterverwendungen widerspiegeln. Eine musikalisch-aufführungspraktischer Vergleich mit den Werken Graupners hat also auf Seiten Bachs mit gewissen philologischen Einschränkungen zu kämpfen.

Begibt man sich dagegen auf die Ebene der zugrunde liegenden Texte, sind diese ihrer äußeren Form nach leichter gegenüber zu stellen. Hans-Joachim Schulze erkannte Ähnlichkeiten zwischen den Graupner und Bach zur Verfügung gestellten Textdichtungen und vermutete den einflussreichen Leipziger Bürgermeister Gottfried Lange als Urheber.11 Beiden Bewerbern wurden von der Konzeption her ein je ein längerer Text mit mindestens fünf Sätzen und ein kürzerer mit mindestens drei Sätzen zur Vertonung ausgehändigt.

In einem fünfteiligen, nicht übermäßig ausgedehnten Zuschnitt kombiniert die gemischt madrigalische Kantatendichtung Jesus nahm zu sich die Zwölfe Bibelworte, rezitativische und ariose Dichtung und eine abschließende Choralstrophe. Bachs Vertonung dieses Textes hat im Werkverzeichnis die Nummer 22 erhalten.12 Auf einer etwas später im Jahr 1723 (von dem in den Bewerbungsprozess als Schreiber eingebundenen Thomaner Johann Andreas Kuhnau) angefertigten Partiturkopie findet sich der Vermerk „Dies ist das Probestück in Leipzig“.13 Damit wurde offensichtlich gekennzeichnet, dass es sich um die vor der Predigt dargebotene Hauptmusik des Bewerbers Bach handelte. Dessen im gleichen Gottesdienst später dargebotenen Komposition Du wahrer Gott und Davids Sohn liegt dagegen ein nur dreiteiliger Text mit umgedichteten Bibelworten zugrunde, welche durch ein Rezitativ voneinander abgesetzt werden. Diese kürzere Komposition Bachs hatte zunächst entsprechend drei Sätze und wird im BWV³ als Nummer 23.1 ausgewiesen.14

Vergleicht man die textliche Grundlage für die Kompositionen Bachs mit denjenigen für Graupner, so zeigt die längere Dichtung Lobet den Herrn alle Heiden im Wesentlichen dieselben Charakteristika wie Jesus nahm zu sich die Zwölfe. Durch den vollständig vorgeschalteten Text von Psalm 117 erstreckt sich die Dichtung hier sogar auf sechs Sätze, so dass sie Grundlage der gewichtigeren Hauptmusik vor der Predigt gewesen sein muss. Die knappere Dichtung Aus der Tiefen korrespondiert in ihrer dreiteiligen Anlage völlig mit Du wahrer Gott und Davids Sohn (BWV³ 23.1) und wird daher für denselben liturgischen Ort innerhalb des Gottesdienstablaufs bestimmt gewesen sein. Es muss sich um die Textgrundlage für die Abendmahlsmusik nach der Predigt handeln. Barocke Texte und Kompositionen waren auf feste Konventionen hin berechnet. Sie folgten einem häufig standardisierten Schema, das eine Ordnung vergegenwärtigte und dennoch ideenreich von Künstlern gefüllt werden konnte. Dabei erforderte gerade das enge liturgische Korsett bei der sakralen Repräsentation eine größere Meisterschaft als es weniger festgelegte weltliche Repräsentationsmechanismen erforderten.

Die beiden Leipziger Bewerbungskompositionen Graupners finden sich unter den Nummern 1113/23a und 1113/23b im Graupner-Werke-Verzeichnis (GWV) aufgeführt. Konkret wurde Aus der Tiefen (GWV 1113/23a)15 vor Lobet den Herrn alle Heiden (1113/23b)16 einsortiert. Als Herausgeber von geistlichen Vokalwerken innerhalb des GWV erläutert Oswald Bill im Vorwort zu dem von ihm besorgten Band zwar knapp die Art der Werknummerierung.17 Allerdings wird die von ihm eingesetzte Buchstabenerweiterung („a“/„b“/„c“) hinter einer Jahresangabe mit keinem Wort thematisiert. Buchstaben werden im GWV offenbar vergeben, wenn ein- und demselben Sonntag in einem bestimmten Kirchenjahr nicht nur eine einzige, sondern mehrere Kompositionen zuzuordnen sind. Beispielsweise lassen sich für den 2. Adventssonntag des Jahres 1711 zwei Kirchenwerke Graupners verzeichnen: Anhand des Textdruckes18 für die Darmstädter Hofkirche eindeutig belegbar, erklang im Vormittagsgottesdienst Nehmet euch untereinander auf(GWV 1102/11a)19, dagegen im Nachmittagsgottesdienst Furcht und Zagen (GWV 1102/11b)20. Mit der Vergabe von Buchstaben im GWV impliziert der Herausgeber also eine Abfolge von vorhandenen Kompositionen zu einem bestimmten Anlass.

Die Leipziger Probestücke Graupners lassen sich nun beide dem 2. Sonntag nach dem Dreikönigsfest im Jahr 1723 zuordnen. Beide Werke haben daher ebenfalls entsprechende Buchstabenkennungen erhalten. Zwar fehlt für Leipzig 1723 ein aussagekräftiger Textdruck, aus dem die Reihenfolge definitiv hervorginge. Doch schon der Vergleich mit den Bach zur Verfügung gestellten Dichtungen zeigt, dass im Leipziger Hauptkirchengottesdienst jener Zeit eine bestimmte Textanlage fest mit einem bestimmten liturgischen Ort verbunden war.21 Wie für Bach verdeutlicht, hatte die ausführlichere Dichtung ihren Platz vor der Predigt, die kürzere Poesie bildete die Grundlage für die Abendmahlsmusik an späterer Stelle („nach der Predigt“). Die sogenannte Hauptmusik schließt stets mit einer Choralvertonung ab, die seit der Wirkungszeit von Schelle gerne figuriert war, so dass die Gemeinde hierbei nicht mitsingen konnte oder sollte.22 An die Komposition nach der Predigt schlossen sich nach Erfordernis bzw. nach Anzahl der Kommunikanten Orgelspiel und von der Gemeinde gesungene Danklieder an. Die Poesien für die Abendmahlsmusiken brauchten daher nicht zwangsläufig mit Choralstrophen finalisiert sein. Den musikalischen Schlusspunkt konnte die sakramental versorgte Gemeinde selbst setzen, und entsprechend kürzer waren die vorlaufend dargebotenen Figuralstücke zu disponieren.23

Im Vergleich mit den Texten für Bach wird deutlich, dass Graupners Leipziger Bewerbungskompositionen von 1723 im GWV in falscher Reihenfolge eingeordnet worden sein müssen.24 Der Herausgeber des GWV-Bandes suggeriert mit seiner fehlerhaften Anordnung die umgekehrte und damit historisch absolut unwahrscheinliche Abfolge der Probemusiken Graupners: Aus der Tiefen (GWV 1113/23a) sei vor Lobet den Herrn alle Heiden (GWV 1113/23b) dargeboten worden. Die originale Abfolge wird unter den Werkeinträgen nicht genau kommentiert, so dass die verwendete Buchstabenkennung („a“/„b“) für sich wirkt.25 Dass dies ausgerechnet die beiden in der Forschung stark rezipierten Werke betrifft, ist besonders misslich und führt unweigerlich zu Verwirrungen.26

Gewiss wäre ein gegenseitiger Tausch der beiden Werknummern mit Blick auf die Aussagekraft des für das GWV gewählten Ordnungssystems die stringenteste Lösung. Ihr steht entgegen, dass die Kombinationen von Werktitel, Nummer und ggf. Buchstaben durch die erfolgte Drucklegung des GWV in gewisser Weise kanonisiert sind und in der publizierten Form verbreitet bleiben werden. Nichtsdestotrotz ist dringend zu beachten, dass das gedruckte GWV mit seiner gegenwärtigen Reihung der beiden Leipziger Probestücke Graupners ihre tatsächliche Abfolge im Gottesdienst am 17. Januar 1723 umkehrt: Zuerst erklang vor der Predigt Lobet den Herrn alle Heiden (GWV 1113/23b) und nach der Predigt bzw. als Abendmahlsmusik Aus der Tiefen (GWV 1113/23a).


1 Rückblickend schrieb der Hessen-Darmstädtische Staats- und Adreßkalender auf das Jahr 1781 über Graupners Wirken: „Zum Vergnügen seines Fürsten, der Freund und Kenner der Musik war, brachte er in kurzer Zeit die hiesige Kirchen- und Theatermusik sowohl durch seine Kompositionen, als auch durch Herbeyziehung mehrerer Virtuosen in ein solches Aufnehmen, daß sie damals für eine der vorzüglichsten in Teutschland gehalten wurde. Selbst der berühmte Telemann führt zur Empfehlung einer Serenaden an, daß sie vor ihrer Bekanntmachung der unvergleichlichen Execution des Darmstädtischen Orchesters gewürdigt worden.“. Zit. n. Elisabeth Noack, Musikgeschichte Darmstadts vom Mittelalter bis zur Goethezeit, Mainz 1967: 191.

2 Michael Maul, ‚Dero berühmbter Chor. Die Leipziger Thomasschule und ihre Kantoren 1212-1804, Leipzig 2012: 83.

3 Kuhnau erwähnt namentlich nur Heinichen und Graupner als seine berühmtesten Schüler (vgl. Fußnote 2:177).

4 Im Jahr 1707 wurde in Leipzig Latein als universitäre Vorlesungssprache durch Deutsch ersetzt, d. h. erst nachdem Graupner seine Studien betrieben hatte. Er wird demnach Latein verstanden, geschrieben, vielleicht sogar gesprochen haben. Im Hinblick auf den vom Kantor zu erteilenden Lateinunterricht an der Thomasschule dokumentieren sich in den Ratsprotokollen im Blick auf Graupner keine Notwendigkeiten, ihn von der Unterrichtstätigkeit in irgendeiner Weise entbinden zu müssen.

5 Vgl. das Ratsprotokoll von Freitag, 15. Januar 1723 (Stadtarchiv Leipzig, Tit. VIII 60a:178f), bevor zwei Tage später Graupners musikalische Darbietungen folgten.

6 „Von der Schwierigkeit einen Nachfolger zu finden. Die Vakanz im Leipziger Thomaskantorat 1722-1723“, wiederabgedruckt in: H.-J. Schulze, Bach-Facetten. Essays – Studien – Miszellen, Leipzig 2017: 34.

7 Vgl. den vielzitierten Brief J. S. Bachs an seinen Schulfreund Georg Erdmann in Danzig vom 28. Oktober 1730, (Bach-Dok I, 23).

8 Marc-Roderich Pfau, „Telemanns ‚Probe-Music‘ für das Leipziger Thomaskantorat im Jahr 1722“, Bach-Jb 2018: 95-109.

9 Für Telemann sind zwei verwendete Textdichtungen zum 10. Sonntag nach Trinitatis anlässlich seiner Leipziger Bewerbung vermutet worden (Pfau, wie Fußnote 8), wobei die einzige hierzu erhaltene Komposition nach meiner Meinung um 1728 entstanden sein dürfte und vor allem aus stilistischen Gründen als Probemusik Telemanns ausfällt. – Die beiden Bewerber Duve aus Braunschweig und Kaufmann aus Merseburg führten im selben Gottesdienst am 1. Adventssonntag 1722 jeweils nur eine unbekannte Eigenkomposition auf (der eine vor der Predigt, der andere nach der Predigt). Hier handelte es sich wohl um einen Kompromiss, denn in der weiteren Adventszeit pausierte in Leipzig die figurale Kirchenmusik, so dass bis nach Weihnachten keine weiteren Bewerber mehr hätten angehört werden können. – Dass Georg Balthasar Schott für seine Probe in der Nikolaikirche am 2. Februar 1723 zwei Kompositionen lieferte, ist wahrscheinlich; ob diese Werke, wie anlässlich des Feiertages Mariä Reinigung anzunehmen, nachmittags (unter seiner Leitung?) in der Thomaskirche oder der Neukirche wiederholt wurden, ist ungeklärt.

10 In den Digitalen Sammlungen der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt online einsehbar: Aus der Tiefen bzw. Lobet den Herrn alle Heiden.

11 Vgl. den Kommentar von Hans Joachim Schulze zu J. S. Bach, ‚Jesus nahm zu sich die Zwölfe‘ BWV 22. Faksimile nach dem Partiturautograph der Deutschen Staatsbibliothek Berlin, Leipzig u. Neuhausen-Stuttgart 1988.

12 Thematisch-systematisches Verzeichnis der musikalischen Werke von Johann Sebastian Bach. Dritte, erweiterte Neuausgabe (BWV³), begründet v. Wolfgang Schmieder u. bearb. v. Christine Blanken, Christoph Wolff, Peter Wollny, Wiesbaden 2022: 47f.

13 Angebracht um 1735 von Samuel Gottlieb Heder als damaligen Hauptkopisten Bachs (ebd.).

14 BWV³ (wie Fußnote 12): 48f. – Für die Niederschrift (Partitur und Stimmen) dieser wohl niemals aufgeführten Fassung wurde Köthener Papier verwendet, woraus entsprechend auf den Kompositionsort geschlossen wurde. Demnach sollte Bach (zusammen mit dem Einladungsbrief zur Probe?) zumindest die dreiteilige Textdichtung vorab übermittelt bekommen haben. Andererseits könnte Bach neben einer Auswahl seiner älteren Werke durchaus Köthener Papier mit sich geführt haben, um in Leipzig nach Erhalt der vorgesehenen Dichtungen sogleich mit der Kompositions- und Vervielfältigungsarbeit beginnen zu können. Gerade die kürzere Komposition ist vielleicht in Klausur oder unter Aufsicht hergestellt worden, wobei Bach die nicht vertrauten Leipziger Aufführungsmodalitäten zu einer unmittelbaren Anpassung (BWV³ 23.2) gezwungen haben mögen.

15 Christoph Graupner. Thematisches Verzeichnis der musikalischen Werke. Graupner-Werke-Verzeichnis GWV. Geistliche Vokalwerke. Kirchenkantaten 1. Advent bis 5. Sonntag nach Epiphanias, hg. v. Oswald Bill, Darmstadt 2011: 564ff.

16 GWV (wie Fußnote 15): 567ff.

17 „Steht die 1000 zunächst generell für das Vokalwerk Graupners und die 100 für die geistlichen Kompositionen innerhalb dieser Gruppe, so stellen die beiden drauffolgenden Ziffern eine einfache Durchzählung der Sonn- und Feiertage dar, beginnend mit dem ersten Advent. Auf den anschließenden Schrägstrich folgt die abgekürzte Jahreszahl seiner Entstehung.“, in: GWV (wie Fußnote 15): VIII.

18 Georg Christian Lehms, Gottgefälliges Kirchenopfer, Darmstadt 1711 (D-DS W-3719-900).

19 GWV (wie Fußnote 15): 69ff.

20 GWV (wie Fußnote 15): 72f.

21 Zu Estomihi (20. Februar) 1724 ist eine Aufführung der Kantate 22 als Hauptmusik durch einen Textdruck bezeugt (vgl. Dürr KT: 283). – Die Libretti enthalten in Leipzig regulär nur die Texte zu den Hauptmusiken.

22 Durch die Orchesterfiguration können die Einsätze der Choralzeilen nicht ohne weiteres gefunden werden. Die Choralvertonung markierte vielleicht jenen Moment im Gottesdienst, in dem der Prediger die Kanzel bestieg.

23 Ein Textabdruck dieser Musiken nach der Predigt war wohl nicht zweckdienlich. Während der Aufführung empfing die aus vielen hundert Personen bestehende Gemeinde das Abendmahl, d. h. es kam zu einer gewissen Bewegung und zu stärkerer Geräuschentwicklung im Kirchenraum. Der Sakramentsempfang wurde mit stillem Gebet und Andacht abgeschlossen, bevor das abschließende Dankliedersingen in der Gemeinde begann.

24 Dass es sich nicht um ein bloßes Versehen bei der Einsortierung handelt, macht folgender Aufsatz des Herausgebers zur Thematik deutlich: Oswald Bill, „Graupners Leipziger Bewerbung. Bemerkungen zu den Texten der Probekantaten“, in: Mitteilungen der Christoph-Graupner-Gesellschaft 5, Darmstadt 2010: 61-71.

25 Eine reduzierte Auflistung der Bewerbungsstücke aufsteigend nach Nummer und Buchstabe entsprechend dem GWV (z. B. jüngst bei Beate Sorg, „Die Besetzung des Thomaskantorats 1722/1723 als unilaterale Überlieferung“, in: Musikforschung 1/2023: 27) manifestiert leider dessen inkorrekte Reihung.

26 Während die jüngste Einspielung die Bewerbungskantaten Graupners in der richtigen Reihenfolge bringt, werden sie im Begleittext analog der falschen GWV-Nummerierung besprochen von Michael Maul, „Leipzig sucht den Super-Cantor. Die lange Suche nach einem Nachfolger für den Thomaskantor Johann Kuhnau“, Booklet zur CD Leipzig 1723. Telemann – Graupner – Bach, Accentus Music 2023: 14f.